Keine Gemeinschaft ohne Individualität – keine Individualität ohne Gemeinschaft

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Inspiriert durch das wie immer anregende Magazin Zeitpunkt (Ausgabe 145) zum Thema ‚allein – zusammen’ (und darin besonders der Artikel von Leila Dregger), habe ich beschlossen diese Woche das Thema ‚Individuum und Gemeinschaft’ anzugehen.

Individuum und Gemeinschaft sind nicht zwei sich gegenüber stehende und sich ausschließende Poole. Ganz im Gegenteil. Gerade in unserer Zeit bedingen sich die diese beiden sozialen Größen. Oder wie es Leila Dregger schön formuliert: „Es gibt keine funktionierende Gemeinschaft ohne Individualität. Umgekehrt gibt es keine Individualität ohne Gemeinschaft.“ Individualität offenbart sich ja gerade in der Gemeinschaft. Ohne den Menschen unter anderen Menschen zu erleben, können wir keine Individualität wahrnehmen.

Was bedeutet Individualität? Grundsätzlich hat jeder Mensch die Fähigkeit zur Individualität, das heißt ein Individuum zu sein. Diese Individualität setzt sich aus verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen zusammen. Wir Anthroposophen sprechen in dem Zusammenhang zum einen von Ich-Anteilen und zum andern von Schatten- resp. Doppelgängeranteilen, die jedem Menschen eigen sind. Vereinfacht zusammengefasst bezeichnet das Ich die konstruktiven und der Schatten resp. der Doppelgänger die tendenziell destruktiven Persönlichkeitsanteile.

Auch der Begriff Gemeinschaft lässt sich aufschlüsseln. Einerseits können wir mit Gemeinschaft einen sozialen Organismus, andererseits ein Kollektiv benennen. Der Begriff sozialer Organismus verdeutlicht die Lebendigkeit menschlichen Zusammenlebens, die sich durch Interaktion und Interdependenz ausdrückt. Mit Kollektiv bezeichne ich die Summe von gleich geschalteten ‚Leuten’ (mit wenig Individualität und Selbstbestimmung) abhängig, fremd gesteuert (und häufig kontrolliert) von einem mehr oder weniger ideologisch, dogmatisch und häufig auch bürokratisch gefärbten System.

Im positiven Sinn ist demnach eine Gemeinschaft ein sozialer Organismus von konstruktiven und mit einander in Bezug stehenden Individuen. Die Lebensfähigkeit (aber auch das Überleben) und die Weiterentwicklung eines solchen sozialen Organismus hängt eben gerade von sich entwickelnden Individuen ab. Ohne sie dreht er sich als Kollektivsystem im Kreis. Damit wir aber herausfinden, was den unsere Individualität ausmacht, müssen wir uns mit uns und unserem Leben (unserer Biographie) auseinander setzen. Biographiearbeit ist dafür ein geeignetes Mittel (s. http://derentwickler.ch/de/meine-angebote/beratung-fuer-transformationsgestaltung/programme/biographiearbeit/).