Was sind Werte? Und warum können oder sollen sie in der Kommunikation eine Rolle spielen? Als Einstieg ein ganz kurzer Diskurs zum Thema Werte.
Von einer Gemeinschaft als erstrebenswerte – moralisch gut erachtete – Eigenschaften und Qualitäten (z.B. Freiheit) werden als Werte bezeichnet; ebensolches Verhalten als Tugenden (z.B. Aufrichtigkeit). Das Zusammenspiel von Werten und Tugenden wird Moral und die Auseinandersetzung mit denselben heute Ethik genannt(früher Philosophie).
Die Menschen haben nicht zu jeder Zeit die gleichen Werte als wichtig empfunden. Werte unterliegen somit – wie andere gesellschaftliche Entwicklungen – einem Wandel. Der Wertewandel lässt sich seit dem Beginn der Industrialisierung grob in drei Phasen unterteilen (s. Norbert Bolz: Wertewandel):
- Mit dem Aufstieg des Bürgertums wurden christliche Werte zu akzentuierten bürgerlichen Werten und Tugenden (so z.B. Arbeitsamkeit, Keuschheit, Disziplin). Diese gelten auch heute noch als Primärtugenden.
- Mit dem Einsetzen der Romantik um 1800 beginnt der Widerstand gegen das Bürgertum und seine Werte. Eine Konjunktur antibürgerlicher Werte setzte ein (Beginn des Nonkonformismus). Diese Epoche erstarkte in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, um sich mit dem Altern der 68er (Generation) zu verabschieden.
- Das 21.Jahrhundert scheint sich komplexer zu orientieren, nämlich an ambivalenten Werten. Ein stark situatives Werteempfinden setzt ein. Es wird von Wertparadoxien oder von Werthybriden Was in der vorigen Epoche als unvereinbar galt wird heute verbunden (z.B. im compassionate conservativism, dem caring capitalism oder dem libertären Paternalismus). Ob es sich tatsächlich um eine Differenzierung des Werteverständnis handelt – oder letztlich doch nur um ein Werteausverkauf – wird sich offenbaren.
Werte sind ein zentraler Bestandteil unserer Verhaltensvorschriften, jedoch nicht selber Verhaltensvorschriften. Aus Werten lassen sich jedoch soziale Normen (konkrete Vorschriften für das soziale Handeln) ableiten. Eine solche Norm besagt, was in einer Situation notwendig und allgemeingültig geschehen soll. Sie haben also vorschreibenden Charakter und fungieren als Gruppenstabilisatoren. Werte haben einen attraktiven, Normen einen restriktiven Charakter. Die Befolgung der Normen „wird durch die negativen Konsequenzen ihrer Nichtbefolgung“ lanciert.
Genau diese Stabilisatorenrolle scheint heute abhanden zu kommen. Als Wert gilt was nützt. Wir sind nicht die erste Epoche (und werden wohl auch nicht die letzte sein), die den Werteutilitarismus bemüht. Gut ist was möglichst vielen möglichst viel Nutzen bringt. Müsste sich dann nicht gerade die Nachhaltigkeit durchsetzen? Tut sie aber nicht! Zeit für eine Wertebesinnung? Was sind Werte und wie verhalten wir uns dazu?
Weil nicht alle Werte als gleichrangig angesehen werden, bilden sich sogenannte Wertehierarchien. Die jeweilige Gewichtung eines Wertes ist im konkreten Fall situations- und/oder kulturabhängig. Das macht deutlich, dass das System aller Werte nicht widerspruchsfrei ist. So scheinen Werte mit bestimmten anderen Werten in einem Konkurrenzverhältnis zu stehen (Wir sprechen von einem Wertekonflikt). Ein gutes Beispiel dafür ist der schon bemühte Wert des Wohlstands, der im Konflikt mit dem Wert der Nachhaltigkeit oder der Wert der individuellen Freiheit mit dem Wert der Gleichheit steht. Differenziertes hinschauen jedoch macht deutlich, dass bei solchen Debatten oft verschiedene Zeit- und Abstraktionsebenen vermischt werden. Wird Nachhaltigkeit zu Gunsten von (kurzfristigem) Wohlstand längerfristig ignoriert, zerstört fehlende Nachhaltigkeit Wohlstand. Bleiben die Begriffe Nachhaltigkeit und Wohlstand abstrakt, können sie leichter gegeneinander verwendet werden. Werden sie konkretisiert, besteht eine reelle Chance einer Verbindbarkeit. Nachhaltigkeit – einem System nicht mehr entnehmen, als jeweils ‚nachwachsen’ kann – wird zum Wohlstandsprinzip einer Gesellschaft (anstelle des Überfluss, der sich eigentlich hinter Wohlstand versteckt) . So verlassen wir die abstrakte Ebene und werden konkret. Und damit kommen wir zur Frage warum den Arbeit mit Werten in der Kommunikation? Dazu mehr im zweiten Teil.